Brief an André Barbault
(Vizepräsident des „Centre International d’Astrologie“, Paris)
Die Beziehung zwischen Astrologie und Psychologie :
Es gibt viele Beispiele von erstaunlichen Analogien zwischen astrologischer Konstellation und psychischem Ereignis oder zwischen Horoskop und Charakteranlage. Bis zu einem gewissen Grad besteht sogar die Möglichkeit einer Voraussage z.B. in Bezug auf die psychische Wirkung eines Transits…
Man kann mit einem ziemlich hohen Wahrscheinlichkeitsgrad erwarten, daß eine bestimmte psychische Situation von einem analogen astrologischen Konfiguration begleitet ist. Die Astrologie besteht aus symbolischen Konfigurationen, ebenso wie das kollektive Unbewusste, mit welchem sich die Psychologie befasst. die Planeten sind die „Götter“, Symbole der Mächte des Unbewussten (in erster Linie, neben anderem).
Der modus operendi der astrologischen Konstellationen::
Mir scheint, es handle sich vor allem um jenen Parallelismus oder „jene „Sympathie“, die ich Synchronizität nenne, d.h. die akausale Übereinstimmung, welche kausal nicht erklärbare Verbindungen kennzeichnet, wie z. B. die Präkognition, die Vorahnung, die Psychokinese (PK) und auch das, was man als Telepathie bezeichnet. Insofern Kausalität eine statistische Wahrheit ist, bestehen Ausnahmen akausaler Natur, die zur Kategorie synchronistischer (nicht „synchroner“) Ereignisse gehören. Sie haben mit der „qualitativen Zeit“ zu tun.
Meine Einstellung zur astrologischen Annahme eines von der Geburt an bestehenden psychischen Feldes und der psychoanalytischen Erklärung der Neurosenätiologie durch erste Kindheitserfahrungen::
Die spezifische (pathogene) Wirkung der ersten Lebenserfahrungen beruht einerseits auf Umwelteinflüssen und andererseits auf der psychischen Anlage, d.h. der Vererbung, welche sich im Horoskop anscheinend nachweisen lässt. Es scheint, als entspräche das Horoskop einem bestimmten Augenblick im Gespräch der Götter, das heißt der psychischen Archetypen.
Die qualitative Zeit:
Diesen Begriff habe ich früher angewandt, doch ersetzte ich ihn durch die Idee der Synchronizität, einer Analogie zur Sympathie oder zur correspondentia (die sympaJeia der Alten) oder zur prästabilierten Harmonie von Leibnitz. Die Zeit besteht aus Nichts. Sie ist nur ein modus cogitandi, dessen man sich bedient, um den Strom der Dinge und Ereignisse auszudrücken und zu formulieren, so wie der Raum nichts ist als ein Modus zur Umschreibung der Existenz eines Körpers. Geschieht nichts in der Zeit und befindet sich kein Körper im Raum, dann bestehen weder Zeit noch Raum. Die Zeit ist immer und ausschließlich durch Ereignisse „qualifiziert“, wie der Raum durch die Ausdehnung der Körper. Doch ist die „qualitative“ Zeit eine Tautologie und besagt nichts, während Synchronizität (nicht „Synchronismus“) den Parallelismus und die Analogie der Ereignisse ausdrückt, soweit sie nicht-kausal sind. Die „qualitative Zeit“ ihrerseits ist eine Hypothese, die den Parallelismus der Ereignisse in Begriffen von causa et effectus erklären will. Insofern aber die qualitative Zeit nur ein Strom der Dinge ist und überdies ebenso sehr „nichts“ wie der Raum, bestätigt diese Hypothese nur die Tautologie: der Strom der Dinge und der Ereignisse ist die Ursache des Stromes der Dinge etc.
Die Synchronizität verneint die Kausalität als Erklärung der Analogie von irdischen Ereignissen und Gestirnskonstellationen (mit Ausnahme der Abweichung der Sonnenprotonen und ihres möglichen Einflusses auf irdische Ereignisse). Sie verneint sie speziell für alle Fälle außersinnlicher Wahrnehmungen (ASW), besonders für die Präkognition; denn es ist unvorstellbar, daß man die Wirkung einer nicht oder noch nicht existierenden Ursache wahrnehmen kann.
Was man mit Hilfe der Astrologie feststellen kann, ist die Analogie der [irdischen] Ereignisse [und der Gestirnskonstellationen], aber nicht die Ursache oder Wirkung der einen Ereignisserie in Bezug auf die andere (die gleiche Konstellation bedeutet z.B. bei derselben Person einmal eine Katastrophe und ein andermal einen Schnupfen…).
Trotzdem ist das Problem der Astrologie nicht ganz einfach. Es gibt diese Abweichung der Sonnenprotonen bei Konjunktionen, Oppositionen und Quadraten einerseits und bei Trigonen und Sextilen anderseits und ihren Einfluß auf Radio und auf vieles andere. Ich bin nicht befugt, zu beurteilen, wie viel Bedeutung dieser Möglichkeit zugemessen werden muß.
Auf jeden Fall ist die Stellung der Astrologie unter den intuitiven Methoden einzigartig, und es bestehen Gründe, an der Kausaltheorie einerseits und an der ausschließlichen Synchronizitäthypothese anderseits zu zweifeln.
Ich habe oft beobachtet, daß eine deutlich umgrenzte psychische Phase oder ein entsprechendes Ereignis von einem Gestirnsübergang begleitet war (vor allem Verletzungen durch Saturn oder Uranus).
Meine hauptsächliche Kritik an den Astrologen:
Wenn ich mich zu einem mir nur sehr oberflächlich bekannten Gebiet äußern darf, würde ich sagen, daß der Astrologe die Indikationen nicht immer nur als Möglichkeiten auffasst. Die Interpretation ist manchmal zu wörtlich und zu wenig symbolisch, auch ist sie zu persönlich. Der Zodiakus und die Planeten liefern keine persönlichen Angaben, sondern sind unpersönliche und objektive Gegebenheiten. Auch sollten bei der Deutung der Häuser verschiedene „Bedeutungsschichten“ berücksichtigt werden.
Daß die Astrologie der Psychologie viel zu bieten hat, steht fest; was aber die letztere ihrer älteren Schwester bieten kann, ist weniger ersichtlich. Soviel ich beurteilen kann, wäre es zum Vorteil der Astrologie, wenn sie sich über die Existenz der Psychologie Rechenschaft gäbe, vor allem über die Psychologie der Person und des Unbewussten. Ich bin ziemlich sicher, daß sich manches aus ihrer Methode lernen ließe. Es geht um die beiden Künsten gemeinsame Interpretation der Archetypen (der Götter) und ihrer gegenseitigen Beziehungen. Vor allem die Psychologie des Unbewussten befasst sich mit archetypischer Symbolik.